Facettenreicher Zugang zu Kunst und Kultur

 

Im Offenen Kunst- und Kulturhaus Vöcklabruck (OKH) findet der fünfte Diskussionsdialog zur Erarbeitung des neuen Kulturleitbilds für Oberösterreich statt. Jolanda de Wit, seit 2012 Co-Sprecherin des OKH Vöcklabruck, erzählt vor der Veranstaltung, was das OKH ausmacht und wofür es eigentlich steht. Bevor es ein lebendiger Ort der Kunst und Kultur wurde, stand das ehemalige Vöcklabrucker Krankenhaus einige Jahre leer. Seit 2004 gab es verschiedene Pläne, wie das Haus wieder genutzt werden könnte, die Pläne blieben jedoch längere Zeit unklar. „Der Verein gründete sich im Jahr 2007, um ein kulturelles Produktions- und Präsentationszentrum zu entwickeln. In und um Vöcklabruck suchten unterschiedliche zeitgenössische Kunst- und Kulturvereine Raum für ihr Schaffen“, erzählt Jolanda de Wit vorweg. Mit einer Crowdfunding-Kampagne gelang es, die ersten finanziellen Mittel für die Renovierung des Gebäudes aufzustellen. „2010 haben die Arbeiten im alten Krankenhaus begonnen und 2012 fanden die ersten Veranstaltungen, Lesungen und Konzerte statt“, zeichnet Jolanda de Wit die ersten Schritte des OKH nach. Zu Beginn konnte das OKH nur im Sommer betrieben werden, da die Heizung im Gebäude fehlte, mit der finanziellen Unterstützung der Stadt Vöcklabruck konnte sich das OKH in den letzten Jahren aber „hardwaremäßig“ zu einem ganzjährigen Regionalversorger entwickeln. Ein neues Dach, ein Lift für die Barrierefreiheit und die Heizung: die Substanz wird von der Stadt Vöcklabruck erhalten und für die Software ist der Verein OKH verantwortlich. Im Haus befindet sich neben den Veranstaltungsräumlichkeiten auch eine nette Bar und ausreichend Raum, um Wissen zu teilen und niederschwellig zur Verfügung zu stellen. Denn es beherbergt auch das OTELO Vöcklabruck, in diesem “Offenen Technologie Labor” wird ausprobiert und experimentiert, und es ist ein wichtiges Netzwerk für überregionale Innovationskultur. Mittlerweile hat sich das OKH zum wichtigen regionalen kulturellen Zentrum mit 17 Mitgliedervereinen, mehr als 1000 Mitgliedern und zahlreichen Fördermitgliedern entwickelt, das „Möglichkeitsräume für Zukunftsmodelle“ schafft – so das Selbstverständnis des OKH. Schon 2013 wurde das Engagement mit dem "Kleinen Landespreis für initiative Kulturarbeit" gewürdigt, 2017 dann mit dem "Großen Landespreis für initiative Kulturarbeit".

  

Über die zeitgenössische Kulturarbeit in der Region an der Vöckla sprechen in der ersten Runde des Diskussionsdialogs auch Richard Schachinger, Soziologe und Klimabündnis OÖ Projektleiter, sowie Co-Sprecher des OKH Vöcklabruck, Mario Friedwagner, Geschäftsführer Freies Radio Salzkammergut und Julia Müllegger, Kulturarbeiterin im Salzkammergut, u. a. engagiert sie sich im House of Music and Films, dem Kulturverein Kino Ebensee. Mario Friedwagner lässt die letzten Jahre der oberösterreichischen Kulturentwicklung Revue passieren: „Wir hatten lange Zeit eine sehr gute Gesprächskultur, das hat den offenen Diskurs ermöglicht. In der Förderlandschaft hat sich dieser offene Zugang dann auch abgebildet. Das soll auch in Zukunft so gelebt werden und nicht der Vergangenheit angehören.“ Die Kulturentwicklung der vergangenen Jahre zeichnete sich vor allen Dingen dadurch aus, dass der Kulturbegriff als solcher breiter geworden ist. Richard Schachinger führt das genauer aus: „In Oberösterreich gibt es ein klares Bekenntnis zum zeitgenössischen Kulturschaffen, das gleichermaßen neben dem Traditionellen, dem kulturellen Erbe und dem Brauchtum bestehen kann.“ Dieses Bekenntnis ermöglicht neue Formate, neue Möglichkeitsräume und bietet die Chance zur Beteiligung. Er meint: „Kultur wird so auch ein wichtiges Element der Regionalentwicklung.“ Kritisch sieht die junge Garde die Entwicklung der Kultur hin zum reinen Kulturtourismus. Julia Müllegger: „Es darf nicht zur Kommerzialisierung der Kultur kommen, nicht alles in der Kunst muss unbedingt sofort bewertbar sein.“ Mario Friedwagner stimmt ihr zu: „Das Privileg der Kultur außerhalb der Bewertungslogik agieren zu dürfen, müssen wir uns erhalten.“ Und Kultur kann noch viel mehr. Kulturvereine sind durchlässig für demokratisches Bewusstsein für Positionen, Meinungen und Innovationen. Diesen kollaborativen Stil, so Mario Friedwagner, gibt es in anderen Gesellschaftsbereichen nicht in derart ausgeprägter Form: „Deshalb schafft Kultur demokratische Vitalität.“ Auch die Bewerbung Bad Ischls und des Salzkammerguts als Kulturhauptstadt Europas 2024 kommt zur Sprache. Mario Friedwagner sieht darin das Bedürfnis zur regionalen Kulturentwicklung und die Kultur als Vehikel: „Die Europäische Kulturhauptstadt ist eine Visionstreiberin, auch um die Herausforderungen der Zukunft, wie Gentrifizierung, Verkehr oder Raumplanung, zu meistern.“

 

Der jugendliche und zeitgenössische Zugang zur Kultur trifft in Runde zwei auf Wolfgang Schuster. Seines Zeichens Gründer des Festivals Attersee Klassik, das er 2002 ins Leben gerufen hat. Hier prallen zwei kulturelle Welten aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und doch kommt man schnell ins Gespräch. Auch dafür ist das Format der Diskussionsdialoge gedacht, um sich auf Neues einzulassen, auf andere kulturelle Ausdrucksformen und das wird auch sogleich zum Thema am Tisch. Wolfgang Schuster erklärt: „Zulassen, das ist in der Kulturarbeit das Wichtigste. Innovatives Zulassen …, auch wenn es den persönlichen Geschmack nicht trifft.“ Er geht offen ins Gespräch mit der Jugend: „Wir müssen altersgerecht zur Kultur animieren und das heißt auch sich mit unterschiedlichen Kulturformen zu beschäftigen. Es geht ums ‚Weiterdenken‘.“ Es wird angeregt über Kultur abseits Neuer Medien vs. Netzkultur und Digitalisierung gesprochen, eine spannende und heterogene – weil eine aus differenten Ecken der Kultur kommende – Gesprächsrunde hat sich hier zusammengefunden. Julia Müllegger ergänzt auch, dass es in Zukunft darum gehen wird, Begeisterung zu schaffen und Begabungen zu erkennen und zu fördern. Dafür braucht es Raum zum Ausprobieren und zum Ausleben. Für alle zeichnen sich klare Trends ab: Der Kulturbegriff wird noch breiter werden, das kulturelle Feld wird stets neu abgesteckt werden und neu definiert werden müssen. Dafür ist es notwendig, Potenziale zu erkennen und reflektieren zu können. Richard Schachinger wirft auch noch die Bedeutung der Freiwilligenstruktur ein: „Kultur steht im Wettbewerb der Zeit. Der hohe Grad der Freiwilligkeit in der Kulturarbeit in Oberösterreich muss aufrechterhalten werden. Damit das gelingt, muss die freiwillige Arbeit wertgeschätzt werden, sie muss auch längerfristig planbar sein. Dann kann sich Bestehendes weiterentwickeln. Die Förderverwaltung soll mit der Kulturentwicklung abgestimmt sein und einhergehen.“

 

Der Diskussionsdialog in Vöcklabruck hat einmal mehr gezeigt, wie vielfältig und reichhaltig Oberösterreichs Kultur ist, was ihre Zugänge, Ausdrucksmöglichkeiten und Bedürfnisse betrifft. Die bereichernden Inputs aus Vöcklabruck finden, wie auch all jene der anderen Dialoge, Eingang in den Entwicklungsprozess. Eine Diskussionsveranstaltung steht noch auf dem Programm. Am 18. Oktober 2019 trifft man sich zur abschließenden Veranstaltung in der Landesmusikschule in Steyr.