Am Eingang des Kubinsaals am Schlosspark, mitten in der historischen Schärdinger Altstadt, versammeln sich zahlreiche Kulturschaffende und -verantwortliche. Sie sind gekommen, um über Kunst und Kultur in der Region um den Inn zu sprechen, und über ihre Zukunft. Die vierte Runde der Dialogdiskussionen zur Entwicklung des neuen Kulturleitbilds für Oberösterreich hat einen besonderen Rahmen gefunden. Der Kubinsaal ist nach dem wohl bekanntesten Ehrenbürger der Stadt benannt. Der Namensgeber für Schärdings Kulturzentrum hat die Region künstlerisch geprägt, wie kein anderer. Und auch die, die gekommen sind, prägen Kunst und Kultur ganz wesentlich.
Vor Beginn der Veranstaltung begrüßt Bürgermeister Franz Angerer die Gäste an der Tür und verrät schon vorab, was er sich für die Kulturentwicklung der Region wünscht. Als Bürgermeister der Stadt Schärding ist es ihm ein besonders Anliegen, Kultur nicht isoliert zu sehen und ihren wirtschaftlichen Wert zu erkennen. Schärding ist eine Tourismusstadt, sie hat nicht nur den schönen Inn, die Altstadt und Sehenswürdigkeiten zu bieten: „Während der Saison besuchen 40-50.000 Besucher/innen die Barockstadt am Inn. Unsere Galerien sind gut besucht. Besucher/innen, die zu uns kommen, sind auch an kulturellen Veranstaltungen, an Musik und bildender Kunst interessiert. Mit 5.800 Einwohnern sind wir nicht der Nabel der Welt, aber wir haben einige kulturelle Leckerbissen zu bieten, die auch für den Tourismus wichtig sind.“
Zu ihm gesellt sich Johannes Dandler und steigt kurzum ins Gespräch ein. Johannes Dandler ist unter anderem Leiter des Internationalen Orgelfestivals an der Nelsonorgel, das heuer zum 16. Mal in der Kurhauskirche der Barmherzigen Brüder in Schärding stattfand. Er sieht das ähnlich und meint: „Kulturelles Angebot ist sicherlich ein Zugpferd für den Tourismus.“ Und er ergänzt: „Wir müssen uns die kulturelle Dezentralisierung beibehalten, Hochkultur und Zentralismus tut nicht gut zusammen. Auch in den Regionen braucht es kulturelle Highlights, nicht alle ‚großen‘ Veranstaltungen müssen unbedingt im Zentralraum stattfinden.“ Dem pflichtet Anita Billinger, Lehrende für Musikkunde und Querflöte an der Landesmusikschule Schärding, bei: „Eine ausgewogene Mischung aus Highlights weithin bekannter Künstler und Initiativen regionaler Kulturschaffender, das wird in der Zukunft wichtig sein.“ Für Bürgermeister Angerer und Organist Dandler ist das ein wichtiges Stichwort. Dandler meint: „Niveauvolle Kultur zeichnet sich auch durch künstlerische Kapazunder aus.“ Und Angerer: „Die Region hat viele Kulturvereine und Künstler/innen, die sehr aktiv und überaus wertvoll für das kulturelle Leben hier sind. Es braucht für die Zukunft kulturellen Freiraum, wo beides Platz hat.“ Darüber ist man sich einig.
In Diskussionsrunde 1, bei der über den Status quo der Kultur gesprochen wird, kommt Karl Buchinger aus Andorf mit Renate Rothner, Karina Meier und Maria Ertl aus Zell an der Pram ins Gespräch. In den letzten Jahren hat sich in der Region vieles getan, sagen sie. Viele neue Angebote in Kunst und Kultur sind entstanden. So nennen sie z. B. die Pramtaler Sommeroperette im Schloss Zell an der Pram, die sich in den letzten Jahren bestens etabliert hat, oder auch die musikalischen (Jazz-)Veranstaltungen in Raab. Kurz wird darüber diskutiert, ob denn Wandern Kultur sei. Maria Ertl meint dazu klar: „Selbstverständlich, der Granatzweg verbindet Natur, Kulinarik und Geschichte an der Grenze Oberösterreichs zu Bayern. Das ist selbstverständlich Kultur!“ Auch die Pramtal Museumsstraße kommt zur Sprache. Ihr gehören 17 Freilicht-, Spezial- und Heimatmuseen entlang der Pram an. Sie bilden einen facettenreichen Museumsweg durch das Inn- und Hausruckviertel.
In der zweiten Diskussionsrunde wird vorrangig in die Zukunft gedacht. Rita Atzwanger aus Aspach ist Kunsthistorikerin und engagiert sich für die Stärkung des Kunst- und Kulturangebots im Innviertel. Sie begleitet und berät Kunst- und Kulturprojekte von der Organisation bis zur Vermittlung. Ihre Gedanken gelten auch den Strukturen: „Das Angebot ist sehr groß, manchmal fehlt es an der Übersichtlichkeit, es kommt zu Terminkollisionen und man kommt sich gegenseitig in die Quere. Das ist schade, gemeinsame Plattformen für optimale Abstimmungen wären hilfreich.“ So sieht das auch Karl Buchinger: „Vielleicht wären bezirksweite Kulturkoordinationsgespräche für Terminabstimmungen und zum Vernetzen sinnvoll. In manchen Bereichen wird das schon gemacht, aber nicht im großen Stil und eher spartenintern.“ Jürgen Schinagl, Vizebürgermeister in Andorf, betont, dass vor allem in den Vereinen die Willkommenskultur eine große Rolle spielt, auch um die Jugend anzusprechen: „Es ist wichtig, dass potenzielle Mitglieder, egal ob für den Chor, die Blasmusik oder für einen anderen Kulturverein, aktiv angesprochen werden, und dass man offen für Neues und für neue Mitglieder ist. Es geht um das Miteinander, das macht Kultur ja aus.“ Für den Schärdinger Bezirkshauptmann Rudolf Greiner, der selbst passionierter Musiker ist, ist ganz generell das kulturelle Angebot einer Region wichtig. Will man die Menschen in der Region halten, muss auch die kulturelle Landschaft attraktiv sein: „Innovative Projekte und attraktive Angebote schaffen Bindung zur Region. Wenn wir z. B. Musikern keinen attraktiven Schaffensraum bieten können, werden wir ‚die Guten‘ exportieren und verlieren. Die Qualität darf nicht abwandern, dafür braucht es hochwertige Bühnen und leistbare Kulturräume.“
Wolfgang Sedelmaier ist Architekt und Mitglied des OÖ. Landeskulturbeirats im Fachbeirat für Architektur, Denkmal- und Ortsbildpflege und Altstadtsanierung. Für ihn ist Architektur ein wesentlicher Baustein der oberösterreichischen Kultur: „Der österreichische Baukulturreport projiziert Szenarien und Strategien in das Jahr 2050. Oberösterreich sollte sich damit befassen, was zu priorisieren ist und was wir als wichtig ansehen.“ Er hält fest, dass es oft schwierig ist, mit neuer Baukultur in der breiten Öffentlichkeit gedanklich durchzudringen: „Im Barock wurden Moden ausgelebt, heute sehen wir uns in weiten Teilen Oberösterreichs mit einem gewissen Stillstand im Historismus konfrontiert, der aus der Verklärung des 19. Jahrhunderts rührt. Alles, was alt ist, ist schön und alles Neue ist ‚dazu gebaut‘ und nicht schön. Das müssen wir aus den Köpfen herausbekommen.“ Das braucht Aufklärung, so Sedelmaier: „Wir müssen Baukultur verständlich machen. Der Blick für Räume, Proportionen, Ausformungen und Symbolik geht während des Heranreifens unserer Kinder verloren, weil all das nicht wie Lesen oder Schreiben in der Schule gelernt wird.“ Für Oberösterreich ist ihm wichtig, dass mit öffentlichem Raum mit Sorgfalt umgegangen wird: „Nicht allein Technokratie darf entscheidend sein. Man nehme sich den Straßenbau zum Beispiel: Zwei Fahrstreifen und Parkplätze, links und rechts davon die Gebäude der Stadt – das produziert langweilige, wenn auch praktikable, Straßenzüge. Was aber, wenn man ein richtiges Konzept andenkt? Vielleicht ist es sinnvoll, dass man im Schatten gehen kann? Vielleicht ist Zäsur ein adäquates Mittel, indem man Sitzmöglichkeiten integriert und fahrzeugfreie Bereiche schafft? Trotz vieler Bestrebungen ist es noch nicht richtig in der Öffentlichkeit angekommen, dass es um weit mehr geht, als nur darum neue Gebäude zu bauen.“
Was bei diesem Diskussionsdialog in Schärding besonders zum Ausdruck kommt, ist der grenzübergreifende Zugang zur Kultur. Der Inn als Grenzfluss ist hier in Schärding nicht trennend, sondern er verbindet. Immer wieder merken die Teilnehmer/innen an, dass der Kulturtourismus für die Region besonders wichtig ist, und, dass in vielen Bereichen hervorragend und inspirativ kooperiert wird. Der Blick ist vielerorts in Richtung der bayerischen Nachbarn gerichtet. „Drent und herent“ des Inns ist man sich kulturell eben sehr nahe, das soll auch in Zukunft nicht verloren gehen. Auch wenn man über ein neues Kulturleitbild für Oberösterreich nachdenkt, dürfen Gedanken und Gemeinsamkeiten nicht an der Staatsgrenze enden.
Zum Abschluss des Abends in Schärding wird zum Umtrunk und einem Imbiss geladen. Und auch wenn es nach einem Klischee klingen mag, hier in Schärding werden Weißwürste serviert, ein Selbstverständnis, denn wie gesagt in einem geeinten Europa sollten die Gedanken nicht an Grenzflüssen scheitern und Gemeinsamkeiten werden hier kulturell und auch auf dem Teller aktiv gelebt. Und doch merkt man, dass wir in Oberösterreich sind, denn es ist 21.00 Uhr und die goldene Weißwurstregel, wonach sie das Mittagsläuten nicht hören dürften, wird hierzulande dann doch nicht so eng gesehen.