Schon der Innenhof des Zisterzienserstifts Wilhering beeindruckt. Auch, wenn es an diesem Montag schon etwas dämmrig – oder auf gut Österreichisch „dumper“ – wird. Der umgestaltete Stiftshof befasst sich mit den drei Themen Religion, Kultur und Natur, die sich architektonisch im Stiftshof zu einer Einheit verbinden. Am Eingang des nicht minder beeindruckenden und neu gestalteten Benediktsaals, der sich stilvoll in den alten Meierhof des Stifts einfügt, begrüßt Hausherr Abt Reinhold Dessl die Gäste des dritten Diskussionsdialogs zum neuen Kulturleitbild am 23. September 2019 mit einem herzlichen „Grüß Gott!“. Der Andrang ist groß, der Saal füllt sich zügig.
Die Gelegenheit mit Abt Reinhold Dessl über Kultur und Religion zu sprechen, soll nicht ungenutzt bleiben. Und noch bevor die Diskussionsrunden starten, nennt er drei für ihn wichtige Elemente der oberösterreichischen Kultur: Kirchen und Klöster als Kulturträger, die im Volk verankerte Kultur, die sich im Brauchtum, dessen Pflege und damit verbundenen Festen ausdrückt und die Kunst, die auch widerspenstig und provokant sein darf. „Gut ist Kultur dann, wenn sie stärker ist als die Unkultur. Die Menschlichkeit darf ihr nicht genommen werden.“ Ein passender Einstieg in die später folgenden Gesprächsrunden.
Doch bevor es tatsächlich an die Gesprächsrunden geht, erzählen Andreas Plank und Gabriele Erdt, beide im Vorstand des traditionsreichen, mehr als 170 Jahre bestehenden Hans Sachs-Chors Wels, dass Wels ebenfalls einen Prozess der Kulturleitbildentwicklung hinter sich hat. Nun ist es den beiden wichtig zu sehen, wie sich das neue Welser Kulturleitbild, das noch im Herbst präsentiert werden soll, in das „große“ oberösterreichische Leitbild einfügen kann. Andreas Plank: „Die Fragen, die mich beschäftigen sind, welchen Stellenwert Kultur in Oberösterreich einnehmen wird und wie sich Kultur gegenüber anderen ‚Freizeitangeboten‘, wie Sportveranstaltungen, etc. behaupten kann.“ Andreas Plank sieht die Aufgabe der Kulturverantwortlichen im Land klar vor sich: „Entscheidend für die kulturelle Entwicklung wird es sein, ob die Kulturarbeit, die an der Basis geleistet wird, erschwert oder erleichtert werden wird. Da geht es um den Abbau bürokratischer Hürden, um finanzielle Unterstützung, aber auch um Zeit, die man gewillt ist, zu investieren.“
Gabriele Erdt sieht vor allem in der Jugendarbeit die Herausforderung der nächsten Jahre: „Wir haben in jungen Jahren mit dem Singen begonnen, heute kommt wenig nach. Sehen Sie sich um, der Altersschnitt bestätigt die Herausforderung. Die verfügbare Zeit ist ein entscheidender Faktor. Gut wäre, wenn man Kunst und Kultur wieder bewusster wahrnimmt und bewusster konsumiert, sie auch mehr als Ausgleich zum Alltag sehen könnte.“
Drei Damen und ein Herr sprechen in der ersten Gesprächsrunde über die Errungenschaften in der oberösterreichischen Kulturlandschaft. Wie schon in den Diskussionsrunden in Pregarten und Weibern, fällt immer wieder das Stichwort „OÖ. Landesmusikschulwerk“, das nach allgemeiner Meinung am Tisch „wesentlich besser dasteht, als in anderen Bundesländern“. Das Themenspektrum ist bunt, so bunt wie Oberösterreichs Kultur. Über die Vielfalt wird deshalb ebenso gesprochen wie über die wertvollen Bauwerke, die renoviert und mit der Absicht kultureller Nutzung adaptiert wurden, oder gar eigens für den kulturellen Zweck erbaut wurden. „Sie geben dem kulturellen Leben auch einen angemessenen und zeitgemäßen Rahmen“, so Andrea Wögerer. Sie unterrichtet Klavier, Gesang und Singschule an der Landesmusikschule Eferding, Hartkirchen und Wilhering, außerdem ist sie Teil des Teams des Kinder- und Jugendchors des Landestheaters Linz. Ihre Kollegin Claudia Nagl, die an der Landesmusikschule Leonding unterrichtet, unterstreicht, dass es viele „kulturelle Schätze“ gibt, die es wert sind bewahrt zu werden. Auch die Arbeit der Kulturvereine ist immens wertvoll, passiert sie auf weiten Strecken doch ehrenamtlich. Katharina Wohlschlager, Obfrau des Manus Deaf Theaters, liegen in diesem Zusammenhang besonders kleine Theater, die Kleinkunstszene aber auch die museale Landschaft am Herzen. Der Herr am Tisch, Robert Schröck aus Traun, hält den Wandel der Stadt Linz von der Industriestadt zur Kulturstadt für gelungen und ist überzeugt, dass das Kulturhauptstadtjahr auch Impulse im Umland gesetzt hat. Impulse, die es gilt in die Zukunft zu übertragen.
In der zweiten Diskussionsrunde kommt wiederum das Thema der Nachwuchsarbeit auf, es beschäftigt die Kulturtreibenden im Land offenbar in besonderem Maße. Christine Öller vom Familienensemble „Leinöl“ aus Julbach bestätigt ebenfalls, was schon des Öftern zur Sprache kam: „Für den Kirchenchor ist es nach wie vor schwierig, junge Sänger und Sängerinnen zu motivieren, mitzumachen.“ Uwe Christian Harrer, der sich ebenfalls an Christine Öllers Tisch intensiv am Gespräch beteiligt, leitete viele Jahre lang die Wiener Sängerknaben und dirigierte die Wiener Symphoniker. Der gebürtige Andorfer sieht das Potenzial in der Ausbildung: „Neues entsteht bei der Jugend auf pädagogischem Weg. Wo, wenn nicht dort?! Die Blasmusik ist ein besonderes Vorbild und beweist, wie es gelingen kann, junge Menschen für Musik zu begeistern. Das Musikschulwesen spricht die Jugend erfolgreich an.“ Und da wir schon bei der Jugend sind, so ergänzt Wilhelm Josef Hochreiter, Obmann und Kustos des OÖ. Schulmuseums in Bad Leonfelden: „Wir müssen die Kommunikation anpassen und darüber nachdenken, wie wir neue Schichten ansprechen können. Die Kommunikation über moderne Medien steht noch am Anfang, das betrifft auch die Kulturvermittlung.“ Digitalisierung und die Spektren, die sich daraus entwickeln, bleiben somit noch länger Tischgespräch, denn in den nächsten 10 Jahren wird sich auch die digitale Kunst weiterentwickeln, ist Gerhard Brössner überzeugt: „Logarithmen nehmen Einzug in die Kunst, sie digitalisiert sich. Es wird in den nächsten Jahren noch vieles entstehen. Wie und wo? Das wird die Zukunft zeigen.“ Der in Timișoara, Rumänien, geborene Schauspieler ist auch im Ruhestand noch sehr umtriebig und beispielsweise im Rahmen von Sonderengagements schauspielerisch aktiv. Besonders auffällig ist für ihn, dass sich in den letzten Jahren das Laientheater in Oberösterreich besonders gut entwickelt hat: „In vielen Gemeinden werden mittlerweile (Sommer-)Theaterveranstaltungen angeboten, ein regelrechter Boom ist ausgebrochen. Viele haben sich an den Vorreiterinitiativen in Tillysburg oder Meggenhofen ein Beispiel genommen und organisieren nun eigene Veranstaltungen.“
Man merkt, es wird über viele verschiedene Aspekte der kulturellen Entwicklung im Land diskutiert und auch darüber wie sich Bestehendes weiterentwickeln kann. Für Peter Öller, der wie seine Gattin Christine im Kirchenchor tätig ist, ist es wichtig, über neue Zugänge in der Kultur auch altes Handwerk zu bewahren und das Wissen darüber der nächsten Generation zu vermitteln: Im Rhythmus dengeln oder das Binderhandwerk in die Musik integrieren, das sind unkonventionelle Zugänge, die aber wertvolle Brücken zwischen Handwerk und Musik schlagen können. Und neben all den Herausforderungen und möglichen Entwicklungsrichtungen, so ist man sich am Tisch einig, könnte es in den nächsten Jahren durchaus auf eine Rückbesinnung auf die wesentlichen Elemente und Werte der Kultur kommen. Die illustre Runde würde es sich zumindest wünschen.
Die nächste Gelegenheit, sich am Diskussionsdialog zu beteiligen, gibt es übrigens am 3. Oktober 2019 um 19.30 Uhr im Kubinsaal in Schärding.
Text: Ulrike Haider-Schwarz
Foto: Astrid Windtner