Der sechste und somit abschließende Diskussionsdialog zur Erarbeitung des neuen Kulturleitbildes für Oberösterreich fand am vergangenen Freitag in Steyr statt. Das Amtsgebäude Reithoffer, wo sich Kulturinteressierte und Kulturverantwortliche der Region an diesem Abend zusammenfinden, ist nicht nur ein wichtiges Verwaltungsgebäude der Stadt Steyr, sondern auch die Landesmusikschule Steyr findet im alten Reifenmagazin der ehemaligen „Gummi- und Kabelwerke Josef Reithoffers Söhne“ ausreichend Raum. Das Bundesdenkmalamt hielt 1994 folgendes über den um 1910 errichteten Industriebau bescheidmäßig fest: "Die geschichtliche, künstlerische und kulturelle Bedeutung liegt darin begründet, dass es sich um ein industriegeschichtliches Denkmal eines stattlichen Hallenbaues vom Anfang des 20. Jahrhunderts handelt, dessen ausgeprägte, künstlerisch gestaltete äußere Erscheinung zahlreiche der für Industriebauten um 1910 charakteristischen Merkmale aufweist, etwa die rasterartige Putzgliederung, die großflächigen Fenster mit kleinteiliger Eisensprossung, sowie die funktionsbezogene Bauplastik. Weitere Bedeutung resultiert aus der Lage des Objektes am weit überregional bedeutenden Industriestandort Steyr." (Quelle: Bescheid Bundesdenkmalamt, 1994, bzw. Website Stadt Steyr)
Und liest man dies, fallen einem sofort einige adäquate Stichworte, zur Dialogdiskussion in Steyr auf: Das Gebäude schafft heute eine beeindruckende Symbiose aus Industriegeschichte, Kultur und Architektur; bei der ersten Diskussionsrunde wird das sofort sichtbar. Und vielleicht lassen sich sogar die großflächigen Fenster mit ihren kleinteiligen Eisensprossen als Metapher deuten: Oberösterreich und seine kulturelle „kleinteilige“ Vielfalt, die die ganz besondere Charakteristik und ein großes kulturelles Ganzes ergeben.
Am Tisch nehmen die Künstlerin Lydia Wassner-Hauser und ihr Mann Johannes Platz. Seit 20 Jahren ist die Malerin freischaffende Künstlerin und arbeitet im Atelier Forsthaus Sattl in Nußbach. Ebenso finden sich Karl Hennerbichler aus Steyr und Waltraud Derflinger, engagierte Goldhaubenfrau, am Tisch der beiden Nußbacher. Karl Hennerbichler ist Obmann der Steyrer Krippenfreunde und Landesobmann des Krippenverbands Oberösterreich. Nach der Begrüßung durch Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer und der Einführung in den Abend kommt die Diskussion schnell in Gang. Als bildende Künstlerin findet es Lydia Wassner-Hauser sehr schade, dass oft die musische Kunst im Vordergrund steht, die bildende hingegen vernachlässigt wird. Karl Hennerbichler sieht dieses Phänomen größer, nämlich in Zusammenhang mit dem Sport: „Sportveranstaltungen finden leichter Sponsoren, bei Kunst und Kultur ist das generell schwieriger und das stellt generell die Frage der Wertigkeit von Kultur.“ Johannes Wassner, der in an seinem Tisch die Rolle des Gastgebers übernimmt, ergänzt sogleich: „Vereine und Künstler, die das Kulturgut in Oberösterreich – nicht nur im musischen Bereich – hochhalten, dürfen nicht verloren gehen.“ Da kann Waltraud Derflinger nur zustimmen, denn gerade beim Kulturgut der Goldhauben sieht sie dringenden Handlungsbedarf: „Goldhauben sind teuer, es gibt kaum Kurse, um sich weiterzubilden, keine vernünftige Information, so ist es nicht verwunderlich, dass wir uns schwertun die Jugend zu begeistern.“
Und das bringt die Diskussionsrunde sogleich auf ein neues Thema. Kulturbildung in der Schule, z. B. als Unterrichtseinheit, wie politische Bildung, wäre für alle am Tisch wünschenswert, denn nur so – da ist man sich einig – kann die Wertigkeit der Kultur vermittelt werden. Kulturbildung in der Schule ist auch für Lydia Wassner-Hauser ein wichtiges Thema: „Vor Kurzem hatte ich ein interessantes Gespräch, dabei ging es darum, dass das zeichnerische Können bei vielen im Volksschulalter stehen bleibt, dabei würde bildnerische Erziehung darüber hinaus viele Horizonte erweitern.“
Karl Hennerbichler wünscht sich für die Zukunft auch mehr Austausch und Kommunikation zwischen den Verbänden und Kulturtreibenden: „Im Forum Volkskultur sind viele Verbände verbandelt, der operative Austausch fehlt aber meist. Die wenigsten besuchen sich gegenseitig bei Veranstaltungen. Das ist schade.“ Einen engeren Austausch würde sich auch Lydia Wassner-Hauser wünschen, und zwar jenen zwischen den Künstlern/innen. Johannes Wassner dazu: „Manchmal hat man das Gefühl, Künstler ziehen sich in ihr Schneckenhaus zurück, dabei könnte ein Austausch sehr inspirierend sein.“
Für die zweite Runde, in der man in die Zukunft denkt, tauschen Lydia Wassner-Hauser und Waltraud Derflinger mit Katrin Brettenthaler und Friederike Zillner die Plätze. Katrin Brettenthaler kommt aus Wolfern, dort arbeitet sie im Kulturverein für die Erweiterung des Kulturgeschehens in Wolfern. Der Verein deckt eine breite Palette ab: Literatur, Musik, Malerei, Unterhaltung, Freizeitgestaltung, Brauchtumspflege, u. v. m. Und er fördert auch Nachwuchskünstler/innen. Die pensionierte AHS-Lehrerin Friederike Zillner aus Schlierbach veranstaltet im Verein Literarische Nahversorger seit 20 Jahren Lesungen und seit 2012 das OÖ. Literaturfestival. Das Gespräch findet sogleich wieder Anschluss am zuvor schon Besprochenen. Friederike Zillner: „Literatur wird heute anders ge- und erlebt. Die Jugend kommt eher selten zu unseren Lesungen, veranstalten wir aber unser Festival, sind sie sehr wohl dabei. Das hat sich eben alles ein wenig verändert.“ Das betrifft auch die Kommunikation. Man spricht intensiv über neue Kommunikationswege und darüber, dass „durchs Reden die Leute zusammenkommen.“ Kultur verstehen alle als Basis, um miteinander ins Gespräch zu kommen, und als verbindendes Element, auch zwischen den Generationen.
Und noch etwas hat sich verändert: Heute gibt es viele regionale Angebote, die Menschen müssen gar nicht mehr in die „kulturellen“ Zentren, in die Städte, denn heute wird Kultur regionaler gelebt. Das kann auch Katrin Brettenthaler bestätigen: „Für die Menschen am Land gibt es ein gutes kulturelles Vor-Ort-Angebot und es wird sehr gut angenommen. Früher gab es das alles nicht.“ Dem stimmt auch Friederike Zillner zu: „Wenn man Kultur als Beziehung sieht, ist das gleichzeitig Regionalförderung. Kulturelles Engagement z. B. in Vereinen lebt auch von der sozialen Komponente. Oft geht es mit einem kulinarischen oder geselligen Erlebnis einher. Kultur ist etwas Integratives und so soll sie auch verstanden werden.“
Das Thema Nachhaltigkeit liegt der Gesprächsrunde ebenfalls sehr am Herzen. Friederike Zillner fasst zusammen: „Nachhaltigkeit in der Kultur hat viele Facetten, von der Mülltrennung bei einer Veranstaltung angefangen bis zur Nachhaltigkeit von Initiativen an sich. Man muss sich die Frage stellen: Wem bringt es was und wie lange?“ Und das ist wahrlich ein schönes Schlusswort für die Diskussionsreihe. Alle Ergebnisse aus den Regionen werden in den nächsten Wochen auf kulturleitbild.at veröffentlicht und fließen in den weiteren Erarbeitungsprozess des Kulturleitbildes für Oberösterreich ein.